Mahlzeit!
Heiligabend ist vorbei und komischerweise muss ich konstatieren, dass alles friedlich war und noch ist. Das war nicht immer so, dank einer kinderreichen Familie mit ausgeprägten Charakteren. Ich schreibe das mal als positiven Umstand in die Gebetsbücher der Corona-Gläubigen. Obwohl, interessant war es doch immer, damals. Irgendwie fehlte mir gestern die „festliche“ Stimmung. Das ein oder andere blaue Auge. Mal ein ausgeschlagener Zahn oder wenn aufgrund von Fressneid ein Messer in einem Kinderhändchen steckte. Auch hatte ich kein Saufgelage, irgendeine Kneipe hatte ja immer auf, keinen morgendlichen Kater und auch sonst war kein Porzellan zerschlagen. Manche nennen es also friedlich. Andere – langweilig. Na ja.. Immer noch besser, als wenn man wegen alten Gepflogenheiten einem Alten ein Intensivbett wegnehmen müsste. Triage. Oder wie das heißt. Bis auf meine flinke Zunge war mein Französisch nie so richtig gut. Befriedigend.
Ich hatte gestern Gäste aus zwei unterschiedlichen Haushalten. Mit mir also drei. Haushalte. Das war schon recht konspirativ. Man nimmt heutzutage jede Kleinigkeit zur Freude mit. Ein Highlight war aber der Zettel, den ich vor einer Woche in meinem Briefkasten fand. Von meinen „besten“ Nachbarn. Was wir hier in der Reihenhaussiedlung davon halten würden, uns alle am Heiligabend um 13 Uhr in unseren Backyards zu treffen und gemeinsam ein paar Lieder zu singen. Sie legten sogar die Liedtexte von „Stille Nacht“, „O Du fröhliche“ und noch sowas Unflätiges dabei. Klar, kein Problem für mich. Gestern, Punkt 13 Uhr, ich füllte mein Glas polnische Cola in einen Kaffeebecher, tänzelte raus in meinen Park und forderte meine Gäste auf mir gleich zu tun. Da standen sie also alle. Die meisten alt, aber noch vollzählig. Ich warf ein paar Geschenke für die Kids über die Zäune. Alles Mädchen im zarten Alter. Schmusetierchen und Konfekt, dazu einen lieben Spruch vom bösen Wolf Onkel Nachbar. Die Viecher werden ja auch mal älter.
Nachdem ich die Leute mit „KOMPANIE! FROHE WEIHNACHTEN!“ angebrüllt hatte, wie gesagt, die meisten hören schon schlecht, stimmten wir gemeinschaftlich die Sektenlieder an und ich ließ meinen Bariton so Engelsgleich erklingen dass Mensch und Tier, ja, die ganze Welt innehielt um zu lauschen, die Herzen zu öffnen und sich nicht schämten, einige ergriffene Freudentränen zu vergießen. Wer mich kennt, ich bin kein Freund der Selbstdarstellung und entging dem Applaus und den „Zugabe“-Rufen indem ich noch schnell „Holy Diver“ und „The Number of the Beast“ zum Besten gab. Ich sag nur: Stein im Brett!
Ein wenig von meiner ausgefallenen Jahresendbonuszahlung habe ich in einen kombinierten Mobiltelefon-/Mikrohalter, Mikrofon und passendem Apfel-Kabel investiert. Stative habe ich, als Starfotograf, noch selbst. Meine Idee war, ein Gedicht aufzuzeichnen und dieses als Weihnachtsgruß an die rausselektierten, d.h. an diejenigen die eine Niete in meiner Weihnachtsbesuchlotterie gezogen haben, quasi als Trostpreis, zu senden. Meine Ideen für ein besinnliches Gedicht besprach ich mit der Liebsten.
Tröstliche Stichworte kamen mir in den Sinn, wie z.B.: Warum Lockdown? Warum nicht auf Deutsch? Da heißt es Ausgangssperre, zuletzt im Dritten Reich. Das neue Normal ist das neue Braun, ein Bankkaufmann als Gesundheitsminister, eine inoffizielle Mitarbeiterin der DDR als Kanzlerin, der Mann mit den schwarzen Koffern, als Bundestagspräsident, ein Bundespräsident der Mord, Folter und Hinterlist betreibt, ein Volk von überwiegend schlafenden Schafen.
Die Liebste war von den Themen nicht begeistert. Als Vorschlag zur Güte nannte ich noch Nazi-Reich. Aber nein, sie gab zu bedenken, dass das Video auch meine alte, liebe Mutter erreicht. Sogar die Brut. Man kann sich vorstellen, dass ich mal wieder meinen „Schalter“ komplett umlegen musste und heraus kam folgendes (Dank an Kamerakind Liebste):
[Frei:] Liebe Familie, Freunde, Nachbarn, Arsch- und Fotzenlecker, und alle anderen, ja sogar die, die mir immer in den Vorgarten scheißen. Leider sehen wir uns dieses Jahr nicht persönlich, das holen wir aber nach. Versprochen! Ich möchte euch mit einem kleinen Gedicht das Fest versüßen.
[die alberne Weihnachtsmannmütze anziehen und ab hier vom Blatt]
Weihnachten 2020, von Schirrmi
Mit roten Bäckchen, und mit weißem Haar
Im Lichterglanz, mit Mütze
Sitz ich hier und trage vor
Ein Gedicht, treu, lieb und halbwegs wahr.
Es ist Weihnachten, wie jedes Jahr
Doch ist diesmal alles anders
Kontakt und Nähe fallen aus
Die dunklen Zeiten waren immer da.
Rotkohl, Klöße, Gänseschmauß
Denk ich an euch und nicht nur heute
Meine Lieben, meine Treuen
Machen wir das Beste draus.
Die Erde dreht sich immerfort
Sind wir zusammen, ob hier, ob dort
Der Reigen ewig – Sterne, Sonne, Mond
Erinnern was sich lohnt.
Bleiben Sie gesund
ertönt’s von Nah und Fern
Vergessen aber nicht das höchste Gut
Unsere Vernunft!
Macht es gut!
Euer Schirrmi
Es gibt viele, die ich persönlich, per Telefon, E-Mail etc. erreiche und erreichen kann. Allerdings gibt es sehr viele da draußen (Bro), von denen ich keine Kontaktdaten habe. An all diejenigen, ja, fühlt euch angesprochen, ich wünsche euch frohe Weihnachten oder wie auch immer diese Jahreszeit für euch heißt. In Gedanken bin ich bei euch und bedanke mich für all das was Ihr so tut. Sei es Schreiben, sei es Musizieren, sei es einfach: Das es euch gibt.
Aus alten Zeiten: The Pogues & Kirsty MacColl – Fairytale of New York
Wer Familie hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, oder so. Auf jeden Fall: Viel Spaß dabei.
Ja, oder so und noch viel mehr. Kann ich nie genug von kriegen. Dankeschön *knicks*. Wünsche ich Dir auch.