Dass es auf dem Schirrmi-Blog ein wenig still war in den letzten Tagen hatte einen Grund. Denn ich entsagte jeglicher elektronischer Kommunikation und machte mich auf in den Harz. Mit zwei Zielen. Zum einen den Harzer Grenzweg ablaufen und zum anderen zum Harzer Wanderkönig gekrönt zu werden. Am Ende kam es leider doch ein wenig anders als wie ich es geplant hatte. Also, viel Spaß bei einem kleinen Reisebericht und ein paar Bildern.
Die Facts
Der Harzer Grenzweg ist ein Teil des „Grünen Bandes“, der rund 1.400 km langen, ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Im Harz wählte ich eine Dreitagestour mit insgesamt ca. 75 km. Übrigens wählte ich diesmal das erste Mal das von mir betitelte „Betreute Wandern“. Das heißt, ich schleppe nicht immer alle Dinge im Rucksack mit die man für mehrere Tage braucht sondern es gibt einen Koffertransfer von Unterkunft zu Unterkunft und auch einen höchst angenehmen Rücktransfer vom Ziel- zum Startpunkt. Also hat man nur Tagesgepäck inklusive Lunchpaket auf dem Rücken und kann so sehr leicht und schnell in einem der schönsten deutschen Mittelgebirge unterwegs sein. Übrigens heiße ich vom Veranstalter her die ganze Zeit nur „Wandergruppe Schirrmacher“. Tja, wenn ich mich aufbaue verdunkelt sich zwar die Sonne. Bin aber trotzdem nur EIN Schirrmi.
Eine kleine Erläuterung noch zu den Kilometerangaben. Die Netto-Kilometer beziehen sich auf die Strecken auf dem Grenzweg (Tag-1 25 km, Tag-2 25 km, Tag-3 23 km). Es kommen aber die Kilometer hinzu um vom Grenzweg abzusteigen zur Unterkunft und am nächsten Tag entsprechend wieder auf dem Trail zu landen. Zusätzlich kommen noch Wege hinzu um Wanderstempelstellen abzugrasen, das Stempelheft für den Harzer-Wanderkönig zu füllen. Am Ende sah meine Urlaubsplanung nach Tagen wie folgt aus:
- Anreise in Bad Harzburg und Aufwärmwanderung (ca. 10 km)
- Bad Harzburg – Brocken – Braunlage (ca. 34 km)
- Braunlage – Zorge (ca. 32 km)
- Zorge – Walkenried – Bad Sachsa (ca. 26 km)
- Rücktransfer nach Bad Harzburg und Ruhetag sowie kleine Stempelwanderung (ca. 10 km)
- Ilsenburg-Wanderung (ca. 25 km)
- Schierke-Wanderung (ca. 16 km)
- Wieda-Wanderung (ca. 21 km)
- Neustadt-Wanderung (ca. 16 km)
- Hasselfelde-Wanderung (ca. 22 km)
- Blankenburg zur Harzer-Wandernadel-Zentrale und Rückfahrt in den Westerwald
Insgesamt sollten es also um die 200 Kilometer werden. Dass es anders kam wird gleich aufgelöst.
Tag 1: Anreise nach Bad Harzburg
Die Hinfahrt musste ich nach ca. 70 km abbrechen. Hatte ich schon die lange Baustelle auf der A3 Richtung Limburg hinter mir sowie einen Großteil der nervigen „Langen Meile“ auf der Bundesstraße 49, ebenso voller Baustellen, ging ich gedanklich noch mal meine Packliste durch. Heiß und kalt lief es mir plötzlich den Rücken runter, alles war dabei nur meine Wanderschuhe standen noch friedlich duftend daheim im Flur herum. Also, Fuck, wieder alles zurück zum Start und noch flott meine geliebten Yaklederstiefel geholt.
In Bad Harzburg angekommen und eingecheckt. Danach Freude auf das kleine Aufwärmtraining mit drei Stempeln. In die Berge hoch ging es mit einer super netten altmodischen Seilbahn. Ich buchte Berg- und Talfahrt, musste mir aber bewusst sein das die letzte Bahn 1645 fährt und ich mich nicht so lange aufhalten darf um diese noch zu bekommen. Oben an der Bergstation gab es dann auch schon den ersten „Brockenblick“ von gefühlten Millionen denen ich auf meiner Wanderschaft noch begegnen sollte. Mit kleinem, leichten Rucksack und den leichten Halbwanderschuhen schwebte ich wie eine Fee durch den Wald das es eine Freude war.
Tag 2: Bad Harzburg – Brocken – Braunlage
Das sollte der härteste Tag werden. Bis jetzt noch keinen Regen gehabt und es sollte wieder ein wunderbarer, sonniger Tag werden, übrigens wie die nachfolgenden Tage ebenso. Ich wandere ja schon seit einigen Jahren im Harz herum. Jedes Mal überwog der Regen und der graue, dunkle Himmel. Doch hier war jetzt alles prima. Zumindest was das Wetter anging.
Ich hatte leichten Schnupfen und ein Kratzen im Hals. Dazu eine leichte Mattigkeit. Fängt ja gut an. Nach den guten Erfahrungen am vergangenen Nachmittag mit den leichten Wanderschuhen, entschloss ich mich diese auch heute zu tragen. In der Hoffnung den Brocken hoch zu schweben anstatt mich mühsam auf Schusters Rappen abzuquälen.
Leider wurde es zur Qual. Schon Anfangs erst mal den Berg hoch. Aus leichtem Schnupfen fühlte ich die Erkältung in mir. Über den kleinen Brocken hoch zum richtigen Brocken. So eine Qual hatte ich noch nie. Bereits nach 15 km merkte ich Fußschmerzen. Die leichten Schuhe wurden eng, irgendwas fing an zu drücken und zu Schmerzen. Ab hier Schongang der nicht förderlich für meinen Wanderschritt war.
Ich war ja schon 4-mal auf dem Brocken. Aber diesmal das Erste Mal von der anderen Seite her. Dazu werde ich in absehbarer Zeit keine Lust mehr haben. Es war fürchterlich. Hatte ich schon erwähnt das bereits in Bad Harzburg mein Feuerzeug leer war und ich lediglich noch ein paar Streichhölzer hatte? Versucht mal auf dem Brocken eine Ziggi mit Streichhölzern anzuzünden – bei gewöhnlichem Sturm in Orkanstärke. Oder wascht euch die Hände nach einem Toilettengang um danach zu merken das keine Handtücher mehr da sind und der Handfön defekt ist. Das ist zunächst mal egal, geht dann aber raus (Brocken!) und versucht euch die Ziggi mit nassen Händen und mit den verschissenen Streichhölzern anzuzünden. Das ist unverdiente Strafe zu sehen dass sich kleine Eiskristalle auf den Händen bilden und mittlerweile nur noch zwei Hölzer da sind!
Ein paar Kilometer vor Braunlage konnte ich nur noch humpeln. Ich beschloss meine Füße zu untersuchen. Fazit: 2 Blutblasen, 2 normale Blasen, schmerzende Druckstellen allenthalben. Die Schuhe wieder an und den Rest des Wegs. Oh weh!
Tag-3: Braunlage – Zorge
Es geht wieder mit den Füßen. Abends versorgt und alles schön aufgeschnitten. Aber noch Pflaster über den Wunden. So ging es los. Wieder gefühlte Ewigkeiten bis man wieder auf dem Grenzweg ist. Jetzt langsam geht mir der Kolonnenweg so was von auf die Nerven. Kilometerweit nur diese Betonplatten mit den Löchern drinnen. Langweilig und schmerzhaft. Denn wenn man nicht aufpasst landet man mit den Füßen in diesen Löchern. Knickt um oder erwischt eine Blase. Zeit um mir diverse Strategien auszudenken dem zu entgehen hatte ich ja. Aber es gab keinen Königsweg. Ging ich eine Spur war es zu eng und man läuft in Gefahr sich einen Wolf zu laufen. Ging man 2-spurig ist es ein wenig zu weit auseinander so dass man gefühlt wie John Wayne läuft. Auch nicht optimal. In der Mitte geht nur teilweise weil die Mitte nämlich voller Grasnarben mit Erhebungen und Löchern ist die man wegen dem Gras nicht sieht. Auch hier ist Sturzgefahr angesagt. Also, dieser Kolonnenweg, so etwas Mieses und Perfides bin ich ja noch nie gelaufen. Echt Scheiße!
Ich entschloss mich ein paar Restkilometer durch eine Busfahrt abzukürzen. Hach! Das nenne ich Genusswandern! Die Wirtin hatte dann so ein Fußsprudel /-massagegerät welches sie mir auslieh. Ich werde ihr ewig dankbar sein. Denn danach und erneutes Aufschneiden der Wunden war am nächsten Tag alles wieder in Ordnung. Ich ließ sogar die Pflaster weg. Himmlisch wenn der Schmerz nachlässt.
Übrigens, ab heute den 50. Wanderstempel ergattert. Ab heute bin ich Harzer-Wanderkönig – noch ungekrönt. In Zorge kein Handyempfang. Das alte Bergarbeiterdorf liegt tief im Tal, rund herum nur Berge. Freue mich schon auf den nächsten Tag *grummel*.
Tag-4: Zorge – Bad Sachsa
Die Fußschmerzen mittlerweile gegen Muskelverhärtungen getauscht. Egal. Irgendwas ist ja immer, gelle? Doofe Idee noch ein paar Stempel abzuholen die ich durch die überaus angenehme Busfahrt verpasst hatte. Berg rauf und wieder runter, miese Beschilderung der Wanderwege. 10 Kilometer extra gelaufen und noch immer nicht auf dem verschissenen Grenzweg.
Dazu Fliegenalarm. Morgens mit Pfirsich-Duschbad geduscht und dann in den schwülen Morgen rein. Dieser Schwarm Fliegen der mich da begleitete und mir um den Kopf herumschwirrte, ich fand kein Mittel dagegen. Klar, mit den Händen verscheuchen, sie waren dann aber direkt wieder da. Durch Karte und GPS hatte ich auch oft keine Hand frei. Hatte dann versucht die Fliegen zu verscheuchen in der Art wie es die Pferde machen. Mit dem Schwanz. Aber diese Idee gab ich dann doch auf weil sich die Wanderwege langsam mit Menschen füllten und ich ein komisches Bild abgab. Hätte ich vielleicht wiehern sollen um die Tarnung perfekt zu machen?
In Bad Sachsa angekommen warteten auch schon meine Wanderurkunde, eine Anstecknadel sowie eine kleine Hexenpuppe auf mich. Geschafft!
Bad Sachsa selbst ist ja echt ein Rentnerparadies. Frisch und im Zimmer ausgeruht sowie Freizeitklamotten an, ging es ins Dorf runter. Die Eisdiele hatte extra Parkplätze für Rollatoren. Hunde wurden in Kinderwagen transportiert und knurrten mich mit zahnlosen Mündern an. Die wenigen jungen Menschen starrten mich an als ob ich ein Hollywood-Schauspieler wäre so fehl am Platze war ich offensichtlich – knackig, braun gebrannt und mit gestähltem Grenzweg-Körper. Die blitzenden blauen Augen schauten fröhlich und immer fröhlicher nach einem ausgiebigen Biermahl in Form von (verschissenen) Hasserröder Pils.
Tag-5: Grenzweg rum – Rückfahrt nach Bad Harzburg
Morgens um Fünf aufgestanden um noch eine kleine Tour vor dem Frühstück in Bad Sachsa zu machen. Mache ich ja gerne. Ganz alleine im Wald unterwegs zu sein, diesmal ohne Kolonnenweg der mir in Zukunft gestohlen bleiben kann. Übrigens habe ich nun aufgrund des Fliegenalarms den Test gemacht. Nämlich nicht geduscht. Das ist es! Keine Fliegen!
Nach dem Frühstück in Anwesenheit von röchelnden Grauen Wölfen, kam das Taxi und brachte mich zurück nach Bad Harzburg wo mein geliebtes Apfelkuchenmobil noch stand. Um 11:00 Uhr schon 33 Grad. Aber es sollte mein Ruhetag werden, von daher alles prima. Noch mal schnell den Radau-Wasserfall begutachtet und dann ab nach Ilsenburg wo ich mich im Stellwerk für zwei weitere Tage einquartiert hatte. Bin dann mit dem Auto noch mal zurück auf den Grenzweg wo ich noch 1-2 verpasste Stempelstellen und schöne Aussichten ab spazierte die ich aufgrund der Busfahrt verpasst hatte. Echt chillig.
In Ilsenburg selbst bin ich in eine Gaststätte mit Ossi-Hausmannskost und kühlen Getränken. Das ist aber ein separates Thema. Nur so viel, es wurde ein lustiger Abend mit den anderen Gästen und am Ende war ich mit dem Wirt in der abgeschlossenen Kneipe und wir haben zu zweit eine Bierverköstigung durchgeführt. Abends dann im Bett mussten noch ein paar Weingummis dran glauben. Aber nicht nur, nämlich auch meine Zahnbrücke die durch das gute Zeug herausgezogen wurde – oh, diese Schmerzen!
Tag-6: Ilsenburg (Wernigerode)
Aufgrund der fehlenden Zähne gab es Schmerzen aufgrund von heißem, kaltem, einatmen, ach, mit allem. Deshalb aber auch aufgrund des wundervollen Abends davor, entschloss ich mich die geplante Wanderung nicht durchzuführen sondern es ein wenig lockerer angehen zu lassen. Ab nach Wernigerode und da schön chillig die Stadt, das Schloss, den Tierpark zu besichtigen sowie eine kleine Wanderung durchzuführen. Alles schön chillig – Genusswandern! Dazu eine Fahrkarte für die Wernigerode-Schloßbahn gekauft. Ach ja, Tourist sein. Ein wundervoller Tag – bis auf die Zähne. Die müssen wieder rein!
Meine zwei Ziele, nämlich den Harzer-Grenzweg abzuwandern sowie Harzer-Wanderkönig zu werden, habe ich erreicht. Ich stornierte die weiteren Aufenthalte und beschloss am nächsten Tag abzureisen um zu sehen ob mein Zahndoc am Freitagnachmittag die Dinger wieder einsetzen kann.
Tag-7: Blankenburg – Rückfahrt
Nach dem Frühstück im Stellwerk bei meinen geliebten Mädels (werden extra verbloggt) machte ich bei Blankenburg noch eine 20 km Wanderung (2 Stempel) um dann zur Harzer-Wandernadel-Zentrale zu fahren um mich krönen zu lassen. Voller Vorfreude auf die feierliche Krönungsfeier erfuhr ich den Schloßberg und trat in die Krönungshalle ein. Allerdings – es gab kein Champagner, auch sonst außer einer herzlichen Begrüßung der anwesenden Damen nichts Besonderes. Abzeichen, Beglaubigung, Tschüß! Noch nicht mal geknuddelt wurde ich. Na ja, hatte ich ja bereits (fast) im Brockenzimmer.
Apropos Brockenzimmer. So hieß mein Zimmer im Stellwerk. Sollte ich doch zunächst das Prinzessinnenzimmer Ilse erhalten. Doch den Schlüssel fand man nicht. So wurde ich im Brockenzimmer untergebracht. Ich dachte nur so leise und ehrfurchtsvoll bei mir, der Brocken ist mein Schicksalsberg!
Die Fahrt zurück nach Monte war prima, runde drei Stunden. Und übrigens, der Doc hatte keine Zeit mehr.
Fazit
Leute, lauft nicht diesen Harzer-Grenzweg! Er ist langweilig und perfide. Bis auf die geschichtlichen Informationen über die ehemalige innerdeutsche Grenze mitsamt Freiluftmuseen und noch erhaltenen Grenzanlagen, ist er als Wanderweg schlicht Scheiße! In den Tagen war ich auch der Einzige der diesen erwandert hatte. So viel dazu.
Ansonsten, einige unter euch kennen mich ja. Alleinwandern, viele Kilometer schrubben – da bekomme ich den Kopf frei. Alleine in der wundervollen Natur. Davon bekomme ich nie genug. Aber der verschissene Grenzweg – nee. Nie wieder!
Ansonsten habe ich noch einige Dinge so nebenbei erlebt. Schöne, lustige, denkwürdige Geschichten sind in meinem Tagebuch und warten darauf verbloggt zu werden. Aber bis jetzt, ich hoffe es hat euch ein wenig Spaß gemacht und die Bilder geben euch eine kleine Vorstellung wie es für mich wieder einmal im wundervollen Harz war.
Liebe Grüße,
Euer Schirrmi