Enttäuschend! Die Menschheit, die Arbeit in der Knochenmühle, Sohnemann, Wahlergebnisse, gesunde Ernährung, die Rente, Libido, die vorgestrigen Knödel, der heutige Schiss. Es ist eine unvollendete Aufzählung an Dingen, an die ich mehr Erwartungen, fröhlich und wagemutig entgegensehen wollte, die mich aber gemessen an den Resultaten überaus enttäuschend in einem Sumpf an Selbstzweifel und einer sich verschärfenden zornigen Sicht auf die Welt, mit einem großen Knall, wie eine versehentlich selbst ausgelöste Handgranate, unfähig sie wegzuwerfen, dumpf die ewig langen Sekunden zählend, in Luft auflösen.
Schlimm, das große Ganze. Noch schlimmer, dass das Kleinklein, was ich denke im Griff zu haben, zu Staub in meinen Händen zerbröselt. Dinge, Werte, Lust und Liebhabereien nicht mehr bunt, sondern langsam grau und nebensächlich werden – bis nichts mehr da ist. Freude an Lachen, Musik, Neues, Menschen – ich schäme mich, dies alles zu durchschauen. So profan, zu wissen wo sowieso alles endet. Sinn?
Wie meinen Manche heutzutage? Das deutsche Volk war und ist ein Volk von Schafen, die blöken und mit überaus großem Vergnügen gewohnt sind, sich selbst ihren Henker auszusuchen, dabei sich als die Herrscher der Welt zu fühlen? Mäh, mäh..! Blöck, blöck, gender, hüpfen, Bachelor, dumm und dusselig.. Doch, da gibt es noch dies und das, Erheiterndes. Zum Beispiel mag ich diesen alten, französischen Song La Mer. Ich verbinde damit ein paar aufregende Dinge aus meiner jugendlichen Vergangenheit, jung, mit blonden Haaren und blauen Augen, ohne Geld in Frankreich unterwegs. Prekär wie damals oft. Aber schön. So auch dieses Lied. Um ein Teil Glücklichkeit zurückzuholen, schmeiße ich dieses Lied rein und: meine Liebste L. fängt herzlich an zu lachen und singt: „La Mäh!, La Mäh!..“ so die Geliebte. Sie lacht und mäht dass es eine Freude ist. Die Lachtränen fließen, und ich kann nicht anders als ein wenig Glück und Freude zu haben, zu lachen, manchmal wie irre, wissend dass die Schafe meist früher als später, ungewollt und mit großen dummen Augen, vielleicht an ihrem Ende, begreifen. Begreifen.
Der unbekannte Kumpel schrieb von Justin. Ja, genau dieses Erlebnis mit diesem aufrechten, großen, menschlichen und wunderbaren Mann habe ich ungezählte Male gehabt und kann nicht davon ab. Justin Sullivan nimmt mich in seinen Bann, in sein großes Herz, und schaut so liebevoll, fürsorglich, zornig und wie als möchte er seine Kinder eindringlich vor Bösem bewahren redet, singt, predigt und lacht mit dir. Ihm ist es egal ob es vor einem Zig-Tausender-Publikum, oder in einer kleinen Eckkneipe oder nach einem Gig, einfach nur des Nachts auf einer Wiese geschieht. Er hat immer alles dabei. Sich, sein Herz und seine Gitarre. Gänsehaut, Verständnis und nach jedem Weihnachtskonzert in Köln, nehme ich Kraft und Elan und Nachdenklichkeit für einige Wochen mit. Kraft. Das brauche ich.
Als alter, weißer Mann frage ich mich, was soll all der Blödsinn, die Dummheit und soll ich meinen Bart auf eine junge, 3-tägige Variante stutzen? Soll ich den hinten herangezüchteten Hibiskus in den Vorgarten verpflanzen? Wann kommt der erste Frost? Was mache ich mit den wunderbaren Sonnenblumen, die sich nach Sonne sehnen und die Bienen, die sich daran laben und langsam versterben? Den Rasen vertikutieren noch im Herbst oder lieber im Frühjahr? Vorm Schlafen noch wixen? Oder vielleicht noch einen leckeren Nussschnaps? Die übriggebliebene Brezel aus der Mittagspause zu mir nehmen, oder lieber die Mettwurst auf Dinkelbrot mit Senf?
Denke ich an mich, wenn ich schreibe? Schreibe ich, um an mich zu denken? Noch da zu sein? Ich muss unbedingt ein paar persönliche Briefe schreiben. Und abschicken. Das ist meine lange Bank. Ich bin wohl auf ewig mein „Perfect Stranger“. Fassade, nachhaltiger Putz wie es mein Papa nicht besser hinbekommen hätte, dicht, der feste Panzer und im Innern wird geheult. Ich versaue es oft mit den Menschen, meine schlimme, dreckige und arme Vergangenheit lässt sich schwer im Griff behalten. Schauspieler, ein Protagonist in einem großen Theater, nie endende Aufführungen, die man teilweise hasst, teils liebt. Nicht sein will, aber viehisch den Regieanweisungen folgt. Auch wenn sie von einem selbst kommen. Wie wahre ich den Tünch? Oder soll ich überhaupt? Wenn doch sowieso alles egal ist? Können die Mitmenschen das Tier ertragen, dass zum Vorschein kommt? In die Hölle, in einen grausamen und unsäglichen Schlund der Bosheit blicken, der nichts mehr mit dem ihnen bekannten Schirrmi zu tun hat?
Düstere Zeiten, düstere Gedanken allenthalben. Mäh!