Ertrink, Du Nuss, Muskatnuss!

Wenn hier jemand im beschaulichen Westerwald faul ist, dann bin ich es. Das ist ein Grundprinzip von mir damit ich mich nicht ritze oder Schlimmeres mache. Der vermaledeite indoktrinierte Leistungsdruck in der heutigen Neoliberalen Gesellschaft kann mich mal. Ich lasse Knochenmühle, Knochenmühle sein, ich will leben wenn ich leben kann und darf.

Eine faule Sau sein. Ein herrliches nicht drüber nachdenken müssen. Ich sein. Nicht mehr grübeln. Und das mit einem Gleitzeitkonto. Welches Vorteile hat, aber auch wesentliche Nachteile haben kann. Im Übrigen, die Gleitzeit wurde nicht eingeführt um dem Arbeitnehmer das Leben einfacher gestalten zu lassen sondern am Ende gewinnt nur einer. Nämlich der mit der meisten Macht. Einige Jahre machte ich es mit und ließ mich verarschen. Es hat lange gedauert bis sich in meinem Hirn der Knoten löste. Nun nutze ich die Gleitzeit, manche nennen es penetrant, zu meinen Gunsten aus. Ich lernte und ich hatte irgendwann mal einen plötzlichen „Change your mind!“.

Knochenmühle. Was die Herrscher wollen und wozu sie die Sklaven erziehen wollten haben sie fast erreicht. Nämlich ein unterbezahltes Arbeitervolk welches mit Angst dient und die reichen Ausbeuter immer reicher macht. Ohne Gnade und das dumme Wahlvieh macht alle vier Jahre mit. Hauptsache die BILD ist nicht vergriffen beim Frühstücksbrötchen und man kann über die lästern die noch ärmer dran sind.

Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!

Als Realschüler der aus Familiengründen seit ungefähr seinem zehnten Lebensjahr das Geld für Schulhefte und Füllertinte in Obstplantagen und mit anderen Tätigkeiten verdienen musste, weiß ich immer noch sehr wohl was unterprivilegiert heißt. Aber ich will mich nicht beschweren. Jahrzehntelang hatte ich selbst das Hamsterrad bedient um ganz langsam vielleicht mal einen Tritt der Leiter weiter hoch zu kommen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich bin so froh dass ich irgendwann mal innehielt und über mich, über die Sinnlosigkeit dieser Scheiße nachdachte. Seitdem fühle ich mich wohler. Bekam den Blick, mein Herz öffnete sich und ich sah klar. Und was ich tagein, tagaus erlebe und sehe – ich wünsche mir es wäre nicht wahr. Die Realität, ungeschönt, brutal und ohne Empathie. Jetzt sehe ich klar, früher ein kleiner Punk, jetzt wacht er wieder auf und wird immer größer, der Querulant in mir. Wegsehen ist etwas was die anderen machen, machten. Hinsehen! brülle ich innerlich meine Mitmenschen an. Jeden Tag frustriert weil da kein fruchtbarer Boden, kein Mitgefühl mehr da ist.

Ich ritze mich immer noch nicht. Ich habe immer noch Lust am Leben. Es wird aber immer schwieriger. Der Mensch ist dumm. Die Sauferei ist einfach, ich will aber nicht vergessen. Ich weiß und das tut mir weh. Ich sehe und es wird immer schlimmer. Deutschlandfahnen allenthalben an Stellen, sei es Schlüpfer, Schnürsenkel, Fahnen. Gott Fußball hat Denken abgelöst. In den Straßen Huperei, Korsos, in den Parks erfrieren Papas, Großväter, Omas, Mamas, Kinder. Freiwillige mit falschverstandenem Herz rotten sich zusammen, Tafeln sorgen für ein wenig Leben /-smittel– was ich Scheiße finde, denn es ist eigentlich die originäre Aufgabe des Staats dafür zu sorgen dass in einem der reichsten Länder der Welt keiner Hunger zu leiden hat.

Ich flippe aus. Ich hör jetzt auf.

Vor gar nicht allzu langer Zeit erhielt ich einen neuen Mitbewohner. Bis dahin, aber jetzt noch, ist Faul sein mein Credo. Dumm, gelle? Den Weg des geringsten Widerstands gehen. So lange wie keiner meckert faulenzen und höchstens ab und zu mal einen dummen Spruch wie: „Das Glas hat aber noch Fettflecken!“ bringen. Wenigstens wenn meine Couch in der Nähe ist gehe ich mit ebendieser eine Symbiose ein. Untrennbar miteinander verbunden. Nicht denken. Nichts müssen.

Auf jeden Fall hat mich meine Investition dazu gebracht den kleinen Hintern hochzubekommen um auch mal was zu kochen. Kein Fertigfutter mehr, sondern echt und ehrlich mit allem drum und dran selbst zu kochen. Boah, ein Stress. Aber nach dem zehnten Kuchen, nach dem zwanzigsten Gericht ohne Chemiepulver, nach 30 Kilogramm selbst geschälten Gemüse, Kartoffeln, liebe ich es. Ich kaufe kein Fertigfutter mehr. Ich, ja ich, der Schirrmi kocht selbst. Mit frischen Lebensmitteln. Unglaublich aber wahr. Hätte ich nie gedacht. Und es entspannt. Ich brauche manchmal Tipps, jawohl. Aber auch der kleinste Säugling muss schließlich auch mal laufen lernen. Gelle?

Es begab zu einer Zeit als Frau Gräfin in meiner kleinen Muckelbude noch ein- Comp_IMG_5700und ausging. Jedes Kocherlebnis war ein Abenteuer für mich. Hilfreiche Hinweise wie z.B.: „Wie wäre es mit Salz an den Kartoffeln?“ oder auch „Nicht mit dem Finger reinfassen sondern mit einem Messer in den Strunk stechen.“ waren und sind immer noch willkommen. Nun ja. Ich weiß nicht mehr genau was es für ein Gericht war. Es musste jedenfalls Muskat herein. War aber keiner da. Und das um 19:50 Uhr, ich hatte lediglich eine Schürze an, der Mond lachte, die Pobacken lugten von hinten raus. Hier im Westerwald machen die Supermärkte um 20:00 Uhr zu. Ist so, war so. Schnell einen Schlüpper an und ab in den Penny. Die Damen und Herren Angestellten machten mir den Eindruck als ob ich ein unerwünschter Eindringling wäre. Wie sieht Muskat aus, fragte ich so in mich hinein. Ich vergaß zu fragen bevor ich mit dem Satansmobil losbrauste. Nun gut, bin ja dreimal sieben alt, wird nicht so schwer sein so ein ominöses Muskat von Tuborg unterscheiden zu können. Es kam mir zu Gute dass ich in der Jugend gute Zeiten im Mittelstreckenlauf hatte. Dazu, kurven, tollschocken um die Regale herum in meiner Zeit als Hockeyspieler. Das alles hat nichts genutzt. Um 19:58 Uhr frage ich eine geneigte Dame „Wo finde ich Muskatgedöns“? „Haben wir nicht.“ Sie so. „Aber eventuell im Netto.“

Raus, rein in die Karre und rüber in den Netto. „Ähm, wir schließen jetzt!“ – Nein, meine Lieben – ihr schließt den Laden erst wenn ich die Nuss habe. Und zwar in Form von Muskat. Hatte ich immer noch nie gesehen, aber egal. Herumgenervt, gaaaanz, gaaaanz langsam die Regale durchgesucht. Hatte schon den Eindruck dass hier gleich die Bullen gerufen werden, so verdächtig unlebenswert verhielt ich mich auf der Suche nach der Nuss, zwischen den Regalen. Als ob ich mich entblößen würde: „HAAAHHHH! GUCK MAL! Bin ich nicht ein Lümmel?“ Es war schon nach, dann hatte jemand Mitleid und drückte mir so zwei Klabusterbeeren in Folie in die Hand. Ich so: „Willste mich verarschen?“ Sie so: „Nimm, hau ab und lass uns Partyevening machen!“.

Daheim lernte ich dann dass es tatsächlich die Muske, äh, Muskeltier…, äh, Muskatnüsse sind. Und ziemlich hart. Würde man sich in meinem Alter manchmal wünschen. Aber das ist ein anderes Thema – Ihr Lüstlinge und Lüstlingelingelinnen. Am Ende rieb ich die Nüsse, das Gericht wurde für attraktiv, ähm, für delikat befunden und die Couch war mir. Stress pur!

An diese Geschichte erinnerte ich mich als ich heute kochte. Mit Nachdruck flüsterte ich der Süßen zu: „ Red mir hier beim Kochen nicht rein,  – bin ja wohl alt genug.“. Wohlwollende Hinweise, sie müsste ja schließlich auch davon essen, dürften doch mal drinnen sein. So L. Ich fuhr das ganze Programm auf. Drei Töpfe, eine Pfanne, eine Auflaufform, diverse Siebe, Schüsseln, Besteck und Gerätschaften. Jamie Oliver wäre neidisch geworden so virtuos hantierte ich in meiner kleinen aber dafür Alkoholgetränkten Muckelküche. Nebenbei: Wusstet Ihr dass ich jonglieren kann? Ehrlich. Und überhaupt bin ich mit den Fingern recht flink – und das meine ich jetzt nicht primär frivol. Jedenfalls war die selbstgemachte Sauce Hollandaise dran. Ich rieb und rubbelte die Nuss bis die Soße vor Freude schrie. Solange bis die Nuss sich entschied den Seepferdchenkurs zu machen. Grad mal nicht hingeschaut und das Muskat-Ding verschwand ohne Bikini und Schwimmärmchen in der hellen, cremigen Suppe welche mal mit einem Hauch von Muskat die geschmackliche Grundlage meines Kartoffel-Blumenkohlauflauf werden sollte. Die Nuss!

Comp_IMG_5701Ich nahm mein Ding und versuchte in der mit reichlich Butter versetzten, cremigen Suppe den Freischwimmer einzufangen. Erst mit tatkräftiger Hilfe von L. und Ausrufe wie „Das Leben ist doch viel zu schön um als Nichtschwimmer im Kochtopf zu ertrinken!“ fischten wir das hohle aber überaus harte Ding heraus und lachten kurz über dessen übermütigen Spruch „wer föhnt mir jetzt die Haare trocken?“.

Comp_IMG_5703Am Ende war die Rettungsaktion geglückt, weder ich noch die liebste L. sollte sich die Kauleiste versehentlich ruinieren wenn der Lottogewinn in Form einer Muskatnuss die Zähne zerstört. Jetzt grade kann ich noch berichten dass der Auflauf immer noch unangetastet rumsteht. Meine diesbezügliche Frage wurde mit „Wenn ich jetzt was esse kann ich nicht mehr saufen.“ beantwortet.

Tja!Comp_IMG_5705

Guten Appe und ein fruchtbares Wochenende wünscht euch,

Euer Schirrmi – Prosit!