Der achte Tag, ich lebe – noch

Was soll ich Ihnen erzählen von Herzschmerz, Einsamkeit, von insgeheim eingestandenen Fehlern? Was von Benimm, was von Sehnsucht nach Liebe und Zuneigung, die Frage nach dem Sinn des Ganzen? Leben, warum?

Es fing mit einer unbedarften Bemerkung und einem liebevollen Klatsch auf dem Po an. „Na Mausi, ist das Essen bald fertig?“. Den darauf folgenden Blick von Mausi vergesse ich nie. Kennen Sie den Blick von Jack Nicholson im Film „Shining“? Wie er außerhalb jeglicher Menschlichkeit und mit irrem Blick die Axt schwingt? Wissen Sie was? Während ich noch darüber nachdachte, wie wild der Akt auf dem Küchentisch werden könnte (mein Kleiner und ich konnten wieder), erhielt ich eine harsche Entgegnung, die sich in wohl sortierten, wütenden Argumenten äußerte wie „Mach Dir selbst Dein Fressen, Du Arsch!“ Und „Jetzt ist für dich mal Saure-Gurken-Zeit angesagt!“

Die Tür knallte, meine flehenden Worte: „Mausi, was ist denn los? Ich verstehe gar nichts mehr!“ Blieben ungehört. Wortlos und mit einem grimmigen Hexenblick entschwand sie, ihre wallenden roten Haare schüttelnd, mit unserem Ford Mustang, nicht ohne noch einen Drift mit den Hinterrädern auf unserer Kieseleinfahrt hinzulegen, in die Nacht. Ich lauschte dem Röhren des V8, bis auch dieses Geräusch nach einiger Zeit im Nebel der Nacht verschwand. Da stand ich nun, alleine im Portal, die Haustür noch offen, ihr betörender Duft überwältigte immer noch das Anwesen, meine Gedanken. Mich überkam ein Gefühl der Einsamkeit. Kälte.

Mausi hatte noch nicht mal angefangen, zu schnippeln und zu kochen. Somit hatte ich keine Grundlage, mit der ich weitermachen konnte. Egal, ich wollte sowieso mal eine kleine Diät machen. So dachte ich mit verkniffenen Gesicht und öffnete eine Flasche Bordeaux. So gehts auch. Herrlich, endlich mal ohne Kopfhörer meine Heavy Metal Platten anhören und die großen Nuberts krachen zu lassen. Nach der dritten Flasche des guten Roten bin ich einfach eingeschlafen. Als Letztes kann ich mich noch an Slayer „Repentless“ erinnern.

Am nächsten Morgen knurrte überraschenderweise nicht mein Magen. Die LP drehte noch, der halbautomatische Tonarm reckte sich wie grüßend in die Höhe. Harhar, da kamen mir Bilder von den doofen Nazis in den Kopf. Och, ist ja locker. Das bisschen, was es immer zu essen gab, das kann ich auch trinken. Aber was mit dem Tag anfangen? Normalerweise gibt’s Erleichterung für die Morgenlatte. Wenn ich nur wüsste, wie diese bei Manufaktum gekaufte Kaffeemaschine funktioniert. Drecksteil! Na ja, gegen einen kleinen Don Papa gibt es auch nichts einzuwenden.

Den ganzen Tag mit dem lesen von sinnlosen Querdenkerblogs vertrödelt, wurde es langsam Nachmittag und ich bekam Hunger. Schon seit Jahren war ich es gewohnt, frisch gekocht zu bekommen. Kein Fast Food, nie etwas von auswärts bestellen, immer nur das Essen, wo man Bonmots zum Besten haltend, der geliebten Frau beim Kochen zusehen kann. Inklusive liebevoll gemeinten Po-Klopfer, dachte ich mir grinsend. Ich erinnerte mich an alte Zeiten. Ein letztes Doppelbesteck des guten Zeugs habe ich doch noch in meiner Dreifachgarage versteckt. Gedacht – getan. Sollte für drei Tage, so wie früher, das Hungergefühl unterdrücken.

Ach Du Scheiße! War das ein Trip! Damals war ich ja noch jung, da konnte man so einiges vertragen. Aber nun? Der Türgong brachte mich halbwegs aus der Dämmerung in das Jetzt. Ich schaute auf mein „Vertu Constellation“ Handy, alles dunkel. Wurde wohl mindestens 2 Tage nicht mehr aufgeladen. Ich wunderte mich nicht. Was ein geiles Zeug! Und die irren Träume. Unbezahlbar. Da gibt es einiges zu diktieren, dachte ich grinsend an meine Sekretärin, die kleine graue Maus mit den langen Beinen. Hilft alles nichts, mein Magen meldete sich knurrend zu Wort. Blöd nur, dass irgendein Depp die Kühlschranktüren unten in der Haupt-, aber auch oben in der versteckten Salonküche aufgelassen hat. Alles verdorben. Der schöne Kaviar, der Lachs! Das grenzte an Sabotage, dachte ich grimmig. So ein Arsch! Dann erinnerte ich mich, dass ich den Angestellten unbezahlten Urlaub schenkte. Außer mir dürfte hier niemand gewesen sein. Verdammt nochmal! Bekommen sie trotzdem vom Gehalt abgezogen. Sollen froh sein, einen Job zu haben.

Viele Nachrichten auf dem Telefon, welches ich kurz aufgeladen hatte. Der eine Nachbar scheint verrückt geworden zu sein. Der faselt was davon, er hätte einen nackten Mann, nur mit einer Seidenboxershort bekleidet, in meinem Garten im Schnee herumlaufen sehen, der Vogelfutter fraß. Irre gibt es, dachte ich kopfschüttelnd. Jetzt wird es aber mal Zeit, murmelte ich ein wenig entkräftet. Sogar Henry Chinaski brauchte ab und zu Treibstoff, um weiter saufen zu können. Ich erinnerte mich daran, dass Mausi damals etwas grob „Mach Deinen Scheiß alleine!“ auf meine Bitte antwortete, auch meinen Rucksack auszuräumen. Wir kamen damals von einer Bärenjagd aus Kanada zurück, und im Rucksack müsste sich noch Verpflegung befinden, die wir uns auf der tagelangen Bärenhatz mitnahmen.

Puh, das wurde aber auch Zeit. Sieht Scheiße aus. Schmeckt Scheiße. Ist Scheiße. Füllt aber den Magen. Jetzt kann es weiter gehen. Die Angetraute meldet sich nicht. So langsam mache ich mir Sorgen. Ist sie auf unsere Berghütte in Garmisch? Ist ja das beste Wetter für Ihr Hobby. Snowboarden kann sie ja, muss ich neidlos anerkennen. Mein kleines Schneehässchen, hehe. Und so knackig, in ihrem Schneeoverall. Mist, ich muss aufpassen, dass sich der Kleine nicht rührt. Sonst muss ich doch noch die Nachbarin wissen lassen, dass ich grade alleine daheim bin.

Ups, ich erschrak, als ich mich im Spiegel erblickte. Mein ehemals gepflegter weißer Bart ein wenig struppig. Passt aber irgendwie. Zu meinen Augenbrauen. Nicht schlecht. Ob ich meine alte Kutte noch finde? Könnte mal der bescheuerten Eule aus der Personalabteilung ein aktuelles Selfie schicken. Die liked alles, was ich ihr schicke. Die weiß genau, dass sie die Fristlose bekommt, wenn sie meine Späße nicht mitmacht. Blöde Kuh da. Chief of HR. Global. Oh, da bekomme ich grade Bock. Schon länger niemanden mehr aus dem Affekt heraus entlassen. Scheiße, krieg ich da grade Bock drauf. Mal sehen.

Irgendwie leer hier. Niemand da, der sich um mich kümmert. Grade noch das letzte Buch vom Glumm gelesen. „Geplant war Ewigkeit“. An dieser Stelle meine Empfehlung. Vielen Dank für Deine Gedanken, die ich in einem Stück bei einer Flasche Armagnac genoss. Bis zur letzten Zeile, fast atemlos, verschlang ich Wort für Wort, Satz für Satz und Geschichten und Vergangenheit, Gegenwart und leidige Zukunft zerschmolzen zu einem Sinn. Etwas zutiefst Menschliches, von einem, der mich persönlicher ausdrücken kann, als mein eigenes Tagebuch.

Aufgewühlt im guten aber auch im schlechten Sinne, laufe ich hier rum und wundere mich nur nebenbei, wo meine seidenen Boxershorts geblieben sind, höre mal Saga, ELO, NMA und frage mich, wie es Zimbl geht (The Bates). War schön gewesen. Mal ein paar Tage nichts zu raffen, nichts zu wollen, nichts zu müssen. Ich schließe meine Gedanken ab und öffne die Dose, die Flasche und zwinge mich zur Contenance. Schön hier draußen. Ich friere nicht. Eine Kerze muss zum 1. Advent reichen. Auch wenn alles nur ein einziger Spaß ist (Film: Watchmen).

@Kiezi: Zum Spinatgericht kann ich nur sagen, ich kenne wenige die kein Spinat mögen. Werden wir mal nachkochen, hört sich echt lecker an. Dankeschön. Aber auch ongoing Dankeschön, dass Du an mich denkst und verlinkst. Hatte die Woche eine Quiche mit Spinat und Schafskäse.

Schönen 1. Advent. Mal sehen wer wieder mal seinen Personalausweis auf Weihnachtsmärkte, oder <setzen Sie beliebig ein> verliert.