Nur mal ins Städtchen zu meiner Stammapotheke fahren, um vorbestellte Medikamente abzuholen, dachte ich mir. Soweit normal. Um die Mittagszeit herum, als ich auf dem Weg zur Garage war, und hier immer noch normal, kamen mir die ganzen Kids aus den Kindergärten und Schulen entgegen. Nicht normal war, dass sie überaus belustigt waren, als sie mich erblickten. Kichern und hinter vorgehaltener Hand geheime Worte austauschend, die sie zu einem gesteigerten Lachen veranlassten.
Brrr, übermütige Bande! Wenn ich doch auch noch mal jung wäre. Bei all dem Schnee und der Kälte, war ich froh, dass ich noch meinen alten, roten Expeditionsparka von der letzten Bärenhatz in Kanada anhatte.
Dann auf der Straße, viele entgegenkommenden Autos blinkten mir wie wild auf, manche hupten, als sie mich passierten. Ich sah fröhliche Menschen hinter den Autoscheiben. Manche waren so fröhlich, dass ich Grimassen sah. Was ist denn heute nur los? Ist die Merkel verreckt? Oder der korrupteste Staat der Welt, die Ukraine, hat die Löffel gestreckt? Ups, reimt sich ja. Weil es so schön ist: Verreckt, gestreckt, unentdeckt, befleckt, erschreckt, geweckt, ausgeheckt und zugedeckt.
Vom Parkplatz zur Apotheke ging es glücklicherweise weniger infantil aus. Die Passanten, Bauarbeiter, Müllabfuhrleute grüßten mehr als sonst, wichtiger: respektvoller als sonst. Aber dass sich fremde Zigeuner, Obdachlose, arme Kinder, Rentner, Säufer – die ganze Vielfalt an Mitmenschen, mit nach oben und zu mir gerichteten Handflächen, wie flehend an mich wandten – nein das hatte ich noch nie erlebt. Puh, sehr seltsam. Teilweise hörte ich in all dem weinerlichen Singsang sowas wie „Oh, liber, Liber ikkoaus“ heraus. Mit schnellem Schritt und nach vorne gerichteten Blick, wohlwissend, dass ich wenig Geld in meiner Patte hatte, stürzte ich in die Apotheke.
Der Chef der Apotheke, ein 117-jähriger Perser und Doktor der Medizin, machte einen Bückling vor mir und freute sich, dass „Sie mich am 6. Dezember beehren.“. Die kleine Tablettenpackung verpackte er in einer schönen neutralen, schwarzen Tasche, packte Papiertücher, Shampoos, Bonbons, die Rentnerbravo, einen Wandkalender 2024, und eine Informationsbroschüre „Harnblasenkrebs, na und?“ ein. Dann schaute er mich erwartungsvoll an. Sehr erwartungsvoll schauten auch seine Angestellten, aber auch die anderen Kunden der Apotheke. Ich kam mir ein wenig doof vor und verließ eilig meine Stammapotheke, „Gott segne Sie alle.“, murmelnd.
Heimwärts, nur heimwärts. Was ein unheimlicher Tag, wie seltsam sind die Leute druff? Ich prüfte öfters meinen Puls, nicht, dass das alles nur ein Traum war. Daheim, und oben im Bad, zähneputzend (Dreimal pro Tag, wie mir meine Lederwarenfachverkäuferlehrerin beibrachte) schaute ich in den Spiegel: „Aber Hallo, mein Lieber! Siehst ja mittlerweile aus wie der Nikolaus!“. Der Spiegel hatte recht. (nicht „Der Spiegel“!) weißer Bart, sehr lang und.. Details erspare ich Ihnen.
Ich griff mir die Schere, dann den Rasierer und 25 cm weißer Bart waren schnipp-schnapp, ab! 15 cm verbleiben als Ausdruck meiner Persönlichkeit. Ich notierte mir für Morgen die Lokalnachrichten zu sichten, ob es was Besonderes am 6. Dezember gab.
P.S.: Die Armut in Deutschland scheint nicht weit her zu sein. Wie ich schon immer dachte. Alles nur Propaganda. Denn wenn vermeintlich arme Leute Ihre teuren Süßigkeiten und Schuhe / Stiefel einfach so nach draußen stellen, bin ich der Meinung – wie dreckig muss es einem gehen, wenn man so mit seinen Sachen, mit Lebensmitteln umgeht? Ich bediente mich reichlich. Soll ja nicht umkommen das Zeug.
Guten Appe!