Kleine Finger in Bad Aachen

Wir nutzten unsere Auszeit auf einer Burg in der Nordeifel für einen kleinen Ausflug in die westlichste Großstadt Deutschlands: Bad Aachen. Die Bad Aachener mögen das „Bad“ in ihrem Stadtnamen nicht so gerne. Sie vernachlässigen es, sie hassen es gar, verschweigen, unterdrücken und geheimniskrämern damit.

Es liegt wohl nicht an der Unsauberkeit der Bewohner ein „Bad“ zu verachten, obwohl da einige solide Schmutzfinken rumlaufen, sondern eher an den deutschen Telefonbüchern, so erklärte unsere Führerin. Angenommen man schriebe „Bad Aachen“, dann wären bspw. das berühmte Altenkirchen / Westerwald, das beschauliche Apolda / Thüringen, Altötting / Bierhauptstadt im Städteverzeichnis vor Bad Aachen zu finden. So wollen die Analphabeten aus Bad Aachen, ihr Bad herunterfallen lassen, um ganz vorne zu stehen. Ob ganze Generationen von Bad Aachener verrückt geworden sind, weil die Stadt Aach (BW) doch an erster Stelle steht, konnte bis jetzt nicht in Gänze aufgeklärt werden.

Es war nicht mein erster Besuch in (Bad) Aachen. In bester Erinnerung habe ich noch unseren jugendlichen Ausflug damals am 1. Mai in Euskirchen. Die ganze Nacht hatten wir randaliert, Maibäume (und -bräute) verschleppt, gesoffen und gekifft wie die Löcher, bis unser Held, der mit dem Auto und dem Führerschein, den Vorschlag machte, diese höchst besinnliche Nacht mit einem Frühstück in Aachen ausklingen zu lassen. Ich erspare ihnen Details, weil ich mich nur rudimentär erinnere, nur so viel: Auf der Rückfahrt, Autobahn in Richtung Euskirchen auf Höhe Düren, hatte unser Meisterfahrer sein Scheißauto nicht im Griff. Ich durchbrach mit meinem Schädel die Rückscheibe der verschissenen Karre, flog und landete unsanft auf der Gegenfahrbahn. Nicht ohne noch mit meinem zarten Engelsgesicht 200 Meter über die Bahn zu rutschen. Krankenhaus, blabla..

Das zweite Mal lud uns der Vater meiner damaligen Freundin (aus Euskirchen) zum Mittagessen in Aachen ein. Ja warum denn in Aachen, fragen Sie sich vielleicht. Ja, das fragte ich mich auch. Aber der Grund war so einfach wie sinnlos. Der Vater war Bundesbahnbeamter, sowas gab es damals noch, und konnte selbst und mit beliebiger Begleitung kostenlos mit der Bahn im schönen Deutschland herumfahren. Meine Freundin, die mit den prächtigen Locken, den großen Titten, dem durchtrainierten Popöchen und dem süßen Schmollmund, hatte ihre eigenen Methoden mich zu diesem Familientrip zu überreden. Danach beruhigte sie mich noch mit der Aussage, ich könne mir was zum Essen aussuchen, und „die Getränke, egal was, übernimmt der Alte auch.“. Also bummelbahnten wir mit einem Umstieg nach Aachen, aßen Pizza, tranken, fuhren wieder zurück. Noch lange Zeit später redeten die Eltern von diesem wunderschönen Ausflug und schwelgten, alleine, in Erinnerungen.

Von einem Besuch in Aachen bleiben die folgenden wundervollen Erinnerungen: Karl, Karl und nochmal Karl. Damit wäre das Wichtigste gesagt, und diese blöde Tipperei könnte nun endlich aufhören. Weil ich aber eine gewisse sadistische Neigung habe, schreibe ich weiter. Weil ich darüber hinaus mich selbst fröhlich stimmen muss, möchte ich einfügen, dass ich grade um 11:07 Uhr eine E-Mail von DPD erhielt, dass die Weinlieferung zwischen 15:07 Uhr und 16:07 Uhr erfolgen soll. Jetzt muss ich doch gleich mal überlegen, was ich am 7.7.2007 um 7:07 Uhr gemacht habe. Exakt 7 Minuten nach. Nicht 15:05 Uhr oder 16:13 Uhr oder einfach zwischen 15 und 16 Uhr. Nein, die 7 Minuten. Der oder die von DPD kann was erleben. Wenn die Lieferung um 15:06 Uhr oder um 16:08 Uhr kommt. Das muss genau aufgefasst werden. Aufs Pünktlichste. Wir sind immerhin in Deutschland. Sie wissen schon, Die Bahn etc.

King Karl. Kalle. Charles. Doch da gab es noch was. Der Karl hat den Dom gebaut. Der Karl hat die Kaiserpfalz (jetzt Rathaus) gebaut. Ach was! Der Karl hat einfach alles gebaut. Eigenhändig hat er die Steine zurechtgekloppt und sie in die, damals schon alten, neuen Bauwerke mittelalterlich und aufs prächtigste eingefügt. Was er aber nicht gebaut hat, ist das Grashaus am Fischmarkt. Da bin ich mal kurz rein und habe nach Superskunk gefragt. War schnell wieder draußen. Egal.

Der Dom geht so. Ist halt wie jeder andere auch. Aber eben auch anders. Hat ja immerhin der Karl.. In der Domschatzkammer hammse Zeug, haste auch schon alles mal gesehen. Ist ja toll, dass man da bewundern kann, wie reich ein paar wenige Leute waren. Die Zeiten ändern sich nicht. Auch heute wollen Pimmelköppe wie Karl ihre Reichtümer herzeigen und vom einfachen Volk bewundern lassen. Damit man sieht, wofür man arbeiten geht.

Apropos Pimmelkopp. Wir machten eine Stadtführung mit. Die Führerin trafen wir nach einigen Umständen am Elisenbrunnen und dann wurde geführt, geführt von der Führerin, dass es eine Freude war. In jedem Satz kam „Karl“ vor. Irgendwann wurde mir das zu bunt. Ich ersetzte „Karl“ durch „Pimmelkopp“. Jedes Mal also, wenn sie „Karl“ sagte, murmelte ich vernehmbar „Pimmelkopp“. Das erzeugte anfangs gewisse Irritationen, später für Erheiterung. Die Führerin war verschnupft. Wir hielten durch. Wir hielten sogar durch, als Printen gereicht wurden. Aachener Printen. Was habe ich die schon immer gehasst. So ein Blödsinn. Dummerweise probierte ich ein Stück, obwohl ich es hätte besser wissen müssen. In Sekundenbruchteilen schwoll mein Gaumen, meine Zunge an – altes Leiden wegen Nüsse oder Mandeln, oder einfach nur wegen meinem Hass auf Printen. Die waren hart und rochen muffig, sie hinterließen ein Gefühl im Mund, als ob man das Gewölle eines Greifvogels mit einem Spagettinest verwechselt hätte. Oder umgekehrt. Da hat sicher der Pimmelkopp draufgesessen. Oder ausgeschissen. Und der Mist wurde bis in die Jetztzeit kultiviert. So wie der „Hermann-Teig“. Was weiß ich.

Interessant war die Suche nach dem Elisenbrunnen. Als Auswärtiger meint man, einen beliebigen Stadtbrunnen. Beliebig verziert. Davon gibt es auch in Aachen ein paar. Zum Glück, oder zum Unglück, stehen in Aachen an vielen Orten prachtvolle Wegweiser, die auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten hinweisen. So auch Richtungsschilder zum Elisenbrunnen, wo wir ja immerhin einen Gruppenführungstermin vorab buchten. Allerdings zeigten diese Schilder überall hin, ja im Grunde sogar immer in die gegenläufigen Richtungen des vermeintlichen Ortes an dem sich dieser vermaledeite Brunnen befinden soll. So irrten wir naiv durch Aachen und wunderten uns. Die großartige L. kam auf die Idee Google Maps anzuschmeißen. Wir erkannten, in Aachen sind sie zu blöd Schilder richtig aufzustellen. L. und Google führten ans Ziel. An die Aachener Wegweiser-Aufsteller: Ihr seid Arschlöcher! Der Pimmelkopp hätte euch…

Nun waren wir doch ein wenig früh am Elisenbrunnen und genehmigten uns im ansässigen italienischen Eiskaffee einen Eiskaffee, um die Wartezeit zur Führung zu überbrücken. War schon interessant die Leute zu beobachten. Viele junge Leute. Aachen soll angeblich eine Vielzahl an Studenten beherbergen. Die dumme Nachfolgegeneration. Die dummen grünen Hüpfer. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Nackte Knie durch aufgerissene Jeanshosen, bunte Haare, Filz, Jute, nackte, dreckige Füße allenthalben. Blasierte Gesichter, keine Fröhlichkeit – als ob die Jugend schon alt, altklug auf die Welt gekommen sei. Benjamin Button.

Über den Eiskaffee konnte man nicht meckern. Über das Eiskaffee auch nicht. Nebenan saßen Araber, die sich vorbildlich in leiser Lautstärke angeregt unterhielten. Dieser Sprachen nicht mächtig, argwöhnte ich doch etwaige Planungen für Sprengstoffanschläge. Ich war geneigt, ihnen Tipps zu geben. Aachener Tourismusbüro, Schilderaufsteller, Universitäten. Einen richtigen „Tip“ gab ich dem jungen, gutaussehenden Kassierer, der wie ein Tänzer, elegant und aufreizend geschickt zwischen den Tischen sein professionelles Tagwerk betrieb. Den Schein in der Hand, begann er, ich mutmaße dankbare Überschwänglichkeit, mich auf Italienisch keineswegs unhöflich, eher lieb und zugeneigt auf mich einzureden. Auch in dieser Hinsicht sind meine Sprachkenntnisse ein wenig eingerostet, somit musste ich ihn, ich gebe zu, recht unsanft, unterbrechen: „WIR SIND HIER IN DEUTSCHLAND!“.

Vor dem Eiskaffee auf dem Bürgersteig sind kleine Löcher eingelassen, aus denen die Aachener aus Ermangelung einer Kanalisation, ihr Abwasser herauspressen. Wie kleine Springbrunnen. Hunde, geile Tauben, Kinder und von der Gesellschaft Ausgestoßene spielen mit dem Wasser, trinken davon, nutzen es zur Reinigung. Ob das wirklich so gedacht ist? Jedenfalls stinkt es da so dermaßen, dass man gewillt ist sich zu fragen, ob die Bad Aachener etwas gegen Touristen, Hunde, Kinder und Ausgestoßene haben. Ganz im Gegensatz zu den Wandelgängen des Elisenbrunnen. Dort haben die Bad Aachener irgendwann mal angefangen, jeden (Hinz, Kunz, Wolfgang, Heinrich, Pimmelkopp..) der dort weilte nach ihrem Namen zu fragen, und diese Namen dann auf Marmortafeln zu meißeln und an die Wände zu hängen. Die für diese touristische Narretei Verantwortlichen, erkannten aber alsbald ihren Fehler. Denn der Versuch, die mittlerweile zig-Millionen Menschen, die den stinkenden Elisenbrunnen besuchten und immer noch besuchen auf Marmortafeln festzuhalten, war von vornherein zum Scheitern verurteilt und irgendwann hörten die Aachener Idioten damit auf.

Wenn Sie Menschen sehen, die ihren kleinen Finger in die Luft halten und von irgendwoher, von irgendwem diese absurde Geste erwidert wird, dann können Sie davon ausgehen, dass es sich um Bad Aachener handelt. In Ermangelung von Sprachkenntnissen und Umgangsformen, in ganz Deutschland sagt man „Guten Tag“ oder man gibt sich die Hand (früher), hat im frühen Mittelalter ein Aachener Brunnensäufer und Printenfresser mal seinen kleinen Finger in die Höhe gehalten, um die Windrichtung zu prüfen. Denn er war im Begriff einen gewaltigen Furz zu lassen. Ein unbeteiligter Passant hielt das für eine Schmähgeste (heute nimmt man den Mittelfinger) und erwiderte diesen „Gruß“ ebenfalls mit einem erhobenen kleinen Finger. Diesen emporgestreckten kleinen Finger der rechten Hand, nennt man heute „Klenkes“ und soll die Bad Aachener auf ewig an diese, aber auch an die anderen Tollheiten erinnern, die sie verbrochen haben.

Es gab noch mehr. Illuminaten. Ukrainische Zugereiste. Spenden. Der Teufel. Fenster. Hab aber keinen Bock mehr.