Die Leiter blockiert den laktosefreien Joghurt

BÄMM! Schlagartig und ohne Vorwarnung krachte die Außentemperatur auf und in meinen Bluthochdruckgestählten Körper.

Drinnen, ich stempelte „Gehen“ bei angenehmen 19 Grad – die grüne, passive Gebäudewärmeregulierung funktionierte endlich mal, eine Tür trennte mich noch und draußen erwischte mich der plötzliche Hitzeschock und die launigen jungen Leute, die da auf der Terrasse saßen (früher nannte man sie mal Auszubildende) machten Anstalten aufzustehen, um dem Herrn mit dem weißen Bart vor dem Umfallen zu bewahren. Mit einem souveränen „Mahlzeit Leute!“, überwand ich meinen Drang in Ohnmacht zu fallen und marschierte, gelernt ist gelernt, hochaufgerichtet und würdevoll an der armen, dummen Nachfolgegeneration vorbei.

Nach einem wundervollen Sommerurlaub – Nordeifel, Darm- und Magenspiegelung, Männergrippe, erlaubte ich mir heute mal wieder der Knochenmühle die Ehre zu geben. Wundervoll! Mal wieder vor Ort zu sein. Ich hatte einiges vom Flurfunk nachzuholen. Auch wollten sich die lieben Kollegen auch „hechel, hechel“ mit ihren Urlaubserlebnissen überbieten. Na ja, da bin ich ganz entspannt. Wenn mich auf meine Standardfrage „Und? Hattest Du denn dann auch den ultimativen, den besten, schönsten, Sex Deines Lebens gehabt?“ nur ahnungslose Kuhaugen anglotzen, dann, ja dann, gehe ich wieder meiner wundervollen Arbeitstätigkeit nach.

Ich schweife ab. Um 13 Uhr entschloss ich mich also endlich mal das wohltemperierte Gebäude zu verlassen, um mir im hiesigen Industriegebiet befindlichen Supermarkt einen laktosefreien Joghurt zu kaufen. Bei der Gelegenheit wollte ich mir auch die neuesten Superschnäppchenprospekte (Lebensmittel und Reisen) abgreifen, damit ich in der Küche beim Löffeln so tun kann, als wäre ich beschäftigt und könnte mich nicht auf etwaigen Smalltalk einlassen.

Der Parkplatz sah ungewohnt leer aus. Wenige zivile Autos, dafür umso mehr Handwerkerfahrzeuge. Gärtner mit schwerem Gerät rückten der kümmerlichen grün/gelb/braunen Reste der Außenbepflanzung, inklusive Bäume zu Leibe. Auf Bordsteinen und auch direkt vor dem Laden, machten Männer in dreckiger Arbeitskleidung (keine Frauen übrigens) Mittagspause, ich schätzte, sie haben sich ihr Pausenbrot im Laden geholt. So wie ich das für mich gedachte. Einfach nur einen laktosefreien Joghurt und ein paar Prospekte. Mehr wollte ich nicht.

Noch still grübelnd, ob die Menschen bei dieser Hitze, um diese Zeit nicht einkaufen gehen, nur ich unwissender Depp – kam ich am Eingangsbereich an. Dort lungerten, zwischen Rasensaat, Blumen und sonstigen Aktionsartikel einige Arbeiter rum, die mich irgendwie komisch anschauten. Nun ja, ich bin auch tätowiert. Meine Gestalt ist auch ungefähr die eines Arbeiters. Nur meine Knochenmühlenklamotten sehen halt anders aus. Wunderte ich mich schon. Vor der automatischen Eingangsschiebetür stand eine Leiter. Ist nichts Ungewöhnliches. Ab und zu muss auch mal in den Industrielampen ein Leuchtmittel ausgewechselt werden. Oder dergleichen. Licht. Sicherheit. Sie wissen schon. Die Ausgangsschiebetür war offen. Diese nahm ich also und marschierte rein. Es sah komisch da drinnen aus, ich musste mich erst zurechtfinden, es sah aus, als ob die wohl die Waren umschlagen, es roch nach Holzarbeiten. Ich steuerte auf die Kassen zu um von dort, entgegengesetzt in den Laden, in den Warenbereich zu kommen. Plötzlich kamen mir einige der mir wohlbekannten Kassiererinnen entgegen und versperrten mir den Weg. Daraus ergab sich der folgende Dialog:

  • Meute (Streng): Was machen Sie hier?
  • Ich (Häh?): Einkaufen.
  • Meute (Vorwurfsvoll): Haben Sie nicht die Leiter gesehen?
  • Ich: Ja doch, ist ja nicht zu übersehen. Verstellt den Eingang. Meinen Sie nicht, dass könnte ein Sicherheitsrisiko sein?
  • Meute (Entrüstet): Da kann man nicht rein.
  • Ich (falscher Film?): Ja doch, deswegen bin ich ja auch anders rein.
  • Meute (Nachdrücklich): Der Eingang ist gesperrt!
  • Ich (Blutdruck): Wir drehen uns im Kreis.
  • Meute (Schrill): WIR HABEN ZUUHU!
  • Ich (langsam verstehend, aber nachsetzend wollend): Wo haben denn da draußen die ganzen Kunden (die in den Arbeiterklamotten) ihr Mittagessen her? Das sieht doch alles so aus, als ob die das grade hier gekauft haben?!
  • Meute (verstehen mich langsam): Ach, dieser Aldi wird grade umgebaut und morgen können Sie wieder einkaufen kommen.
  • Ich (Schalk im Nacken): Und diese Leiter da draußen ist ein erkennbares Symbol für diesen Umstand? Die Leiter ersetzt eine lesbare Kundeninformation? Eine Erklärung? Und warum lässt man die Kunden auf den Parkplatz? Da könnte man doch direkt vorne an der Straße schon aufmerksam.. blabla..
  • Meute (n/a): n/a

So ging ich wieder meiner Wege, rief den futternden Arbeiter noch ein herzliches „Mahlzeit, verreckt dran!“ zu und erwischte in der nebengelegenen Bäckerei noch ein Ei-Schinken-Brötchen. Leider nicht laktosefrei. Und der Erdbeergeschmack fehlte mir ebenfalls. Und die Magensäure danach.. ach, ich höre auf.

Das war mein erster Tag seit längerem in der Knochenmühle. Nix sonst.